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Vor wenigen Monaten haben wir in unserem Blog-Beitrag über die „Automatische Leckageverortung unter realen Bedingungen in der SmartFactoryOWL“ dieses spannende Kooperationsprojekt näher beschrieben. Mittlerweile haben wir im Auftrag vom CIIT – Centrum Industrial IT – gemeinsam mit Mitarbeitern des Geschäftsbereichs Automation Solutions des Emerson-Konzerns und dem Fraunhofer Institut für Industrie Automation IOSB-INA die nächsten Arbeitsschritte hin zu einer Demonstrationsanlage in Lemgo erfolgreich umgesetzt. Die hohe Erkennungsleistung des Verfahrens unterstreicht dessen Praxistauglichkeit und motiviert uns zu diesem Zwischenbericht.

Wie bereits in unserem vorherigen Beitrag beschrieben wurde die über vier Druckluftzylinder verfügende Anlage zunächst um die benötigte Hardware für Sensorik, Steuerungs- und Kommunkationstechnik sowie die Pneumatik zur Leckagesimulation – wie in Abbildung 2 dargestellt – erweitert. Anschließend kümmerte sich das Fraunhofer Institut auch softwareseitig um einen reibungslosen Betrieb der Anlage. Dies beinhaltete u.a. die Aggregation der Daten (in einer InfluxDB) sowie die Bereitstellung sicherer Zugänge auf die Datenbank für die beteiligten Partner Emerson und AIM. Zusätzlich wurde die Netzwerkkommunikation der Datenpakete optimiert, so dass nun eine reibungslose Aufzeichnung der Steuer- und Sensorsignale bei vergleichsweise niedrigen und gleichmäßigen Latenzen gewährleistet werden kann.

Demonstrationsanlage mit Förderband und Bearbeitungskabine predictive maintenance

Abbildung 1: Draufsicht auf die Demonstrationsanlage mit Förderband und Bearbeitungskabine.

Zentrale Sensorik predictive maintenance emerson aim

Abbildung 2: Zentrale Sensorik (AF2-Durchflusssensor, mitllere Einheit mit Display) und Ansteuerungseinheit der Druckluftzylinder (AES, rechte Seite).

Von der Datenanalyse zur Anwendung des Verfahrens

Dank dieser Vorarbeiten konnten Anfang und Mitte Mai Daten zu zwei experimentellen Durchläufen aufgenommen werden. Diese umfassten jeweils 26 Stunden eines Testprogramms, bestehend aus initial zehn leckagefreien Stunden gefolgt von je zwei Stunden der über Drosseln simulierten Leckagen – aufeinanderfolgend an jedem der acht Ventile (siehe Abbildung 3). Die Anlage arbeitete dabei bei einem Betriebsdruck von 6 bar; die Drosseln für die Simulation der Leckagen waren auf 3 Liter pro Minute bei diesem Druck eingestellt. Im Vergleich zum Gesamtdurchfluss lagen die simulierten Leckage somit grob geschätzt im Bereich von 1%.

Leckagezustand während des stereotypen zeitlichen Ablaufs der beiden Testprogramme

Abbildung 3: Leckagezustand während des stereotypen zeitlichen Ablaufs der beiden Testprogramme.

Anschließend begann die Arbeit des Data Science Teams der AIM. Zunächst haben wir beide Datensätze auf Herz und Nieren überprüft und konnten dabei die positive Auswirkung der Optimierungen auf die Netzwerkdynamik bestätigen. Dann rückte die Stunde der Wahrheit näher – ohne weitere Anpassungen haben wir unser Verfahren zur Erkennung und Verortung von Leckagen mit den Daten gefüttern. Das Verfahren verwendet dabei lediglich die Steuersignale der Zylinder sowie den zentral gemessenen Gesamtdurchfluss an Druckluft. Anhand eines leckagefreien Zeitabschnitts wird das Verfahren kalibriert. Anschließend können Aussagen bzgl. des Leckagezustands entlang anderer Zeitabschnitte für jedes der acht Ventile getroffen werden. Im Rahmen der verwendeten Konfiguration passiert dies alle 100 Sekunden und bezieht sich auf die jeweils vorausgehenden sechs Minuten.

Die Ergebnisse

Erfreulicherweise können wir berichten, dass die Methode mit einer Trefferquote von durchschnittlich 98% die Leckagen für jedes Ventil erfolgreich erkennen und korrekt zuordnen konnte (siehe Abbildungen 4 und 5). Wie die Ergebnisse zeigen funktioniert dies auch über beide Datensätze hinweg (bei einem Abstand von ca. 14 Tagen) ohne eine erkennbare Beeinträchtigung der Genauigkeit. Mit einer geeigneten nachgelagerten Bewertung der vom Verfahren als positiv erkannten Zeitabschnitte ist es darüberhinaus möglich, ohne großen Aufwand sämtliche Fehlalarme zu verhindern und im Rahmen der Testdaten zu einer Erkennungsrate von 100% zu gelangen.

Abbildung 4: Die vom Verfahren errechnete Bewertung (score) am Beispiel von Zylinder 3 für den Zeitbereich der Testdaten (Zweiter Durchlauf des Testprogramms). Kalibriert wurde das Verfahren auf dem leckagefreien Zeitraum vom 14 Tage zuvor aufgenommenen ersten Durchlauf des Testprogramms. Rote, vertikale Balken: Überschreitet die Score das innerhalb der Kalibrierung bestimmte Niveau, wird eine Leackage angezeigt. Graue, vertikale Balken: Wechsel der experimentellen Bedingungen (Leckagezustand, vergleiche Abbildung 3).

Abbildung 5: Vergleich der Vorhersagen (Prediction) gegenüber den tatsächlichen Leckagen (Actual) von Zylinder 3 pro Ventil (Valve). Ergebnisse sind normiert auf die tatsächliche Anzahl (Actual) von zugehörigen Zeitabschnitten. Blau hinterlegte Zahlen: Vom Verfahren korrekt zugeordnete Zeitabschnitte. Weiß hinterlegte Zahlen: Vom Modell falsch zugeordnete Zeitabschnitte.

Einsatz im produktiven Betrieb

Wir gehen davon aus, dass sich unser Verfahren auch in produktiven Szenarien als ähnlich robust und genau herausstellen wird. Basierend auf den im Produktivbetrieb üblichen Schaltzyklen der Zylinder wird das Verfahren statistisch belastbare Aussagen innerhalb von wenigen Stunden liefern können. Entsprechend schnelle Reaktionszeiten für zielgerichtete Wartungsarbeiten werden somit zu einer spürbaren Reduktion von Kosten und Ressourcen führen. Zudem deuten unsere Analysen auf eine gute Generalisierungsfähigkeit über unterschiedliche Steuerprogramme hinweg. Daher freuen wir uns darauf, unsere KI-gestützte Leckage Lokalisierung schon bald in erste Anlagen beim Kunden integrieren zu können.

Nächster Schritt: Live-Demo der Leckageverortung

Ein offensichtlicher Vorteil des hoch getakteten Testprogramms liegt in der Möglichkeit, die Wirkungsweise des Verfahrens direkt vor Ort innerhalb von wenigen Minuten live demonstrieren zu können. Dank der produktiven Zusammenarbeit aller Beteiligten haben wir bereits die nächsten Schritte hierfür eingeleitet. Entsprechend werden wir das derzeit offline betriebene Verfahren vor Ort installieren und die notwendigen Interaktionsmöglichkeiten schaffen. Diese umfassen zum Einen die gezielte Steuerung der Leckagen über eine Benutzeroberfläche sowie zum Anderen die Visualisierung der vom Verfahren getätigten Aussagen zum aktuellen Leckagezustand der Anlage.

Abbildung 6: Gemeinsame Planung der nächsten Schritte.

Wie freuen uns sehr über die erfolgreichen Ergebnisse und die reibungslose Zusammenarbeit mit unseren Kooperationspartnern bei Emerson und dem Fraunhofer IOSB-INA. Mit Blick auf die Corona-Inzidenz-Werte lässt uns auch diese positive Entwicklung der Rahmenbedingungen darauf hoffen, schon bald vor Ort die Anwendung des Verfahrens direkt erleben zu können. Wir können es kaum abwarten!

IOT Praxis Report Emerson BSH AIM Groß

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